Letzte Revision: 29.05.2009 | Download als PDF
Folgende Fragen werden in diesem Artikel beantwortet:
▼ Wie erfolgt die Vertragsannahme durch den Onlineshop-Betreiber?
▼ Wie kommt der Vertrag bei Sofort-Kaufen-Angeboten bei eBay & Co. zustande?
Alle hier gegebenen Informationen zum Thema Vertragsrecht beziehen sich auf die Gesetzgebung in Deutschland.
Ein Vertrag kommt, wie bereits dargestellt, durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande: Vertragsangebot und Vertragsannahme. Bietet ein Unternehmer in seinem Onlineshop Waren oder Leistungen an, stellt dies jedoch noch kein Vertragsangebot im rechtlichen Sinne dar. Es handelt sich dabei lediglich um eine Anpreisung von Waren bzw. von Leistungen. Juristen nennen es "invitatio ad offerendum", also eine "Einladung (oder Aufforderung) zur Abgabe eines Vertragsangebots". Das Gleiche gilt beispielsweise für Kataloge, Auslagen im Schaufenster, Waren im Regal, Prospekte, Annoncen, Rundschreiben per eMail mit Sonderangeboten und ähnliche »Produktpräsentationen«, die eine unbestimmte Vielzahl von Interessenten (Käufer bzw. Auftraggeber) ansprechen. Es handelt sich bei der hier dargestellten Sonderregelung zwar nicht um eine konkrete gesetzliche Fest- legung, aber um eine juristische Auslegungsregel, die in Streitfällen bzw. in der Rechtssprechung zur Anwendung kommt. (Für Online- shops bei eBay und ähnlichen Plattformen gilt das hier Gesagte allerdings nicht. Dort stellen angebotene Artikel oder Leistungen ein verbindliches Vertragsangebot dar. Erläuterung: siehe unten.)
Hinweis: In den meisten Onlineshops werden Kaufverträge abgeschlossen. Da im Internet aber ebenso Werkverträge, Dienstverträge, Mietverträge usw. angeboten werden können, wird hier der neutrale Begriff "Vertrag" verwendet.
In der Regel ist es so, dass ein Onlinehändler nur schwer oder gar nicht abschätzen kann, wie viele Interessenten ein im Shop an- gebotenes Produkt findet. Ebenfalls unklar ist für den Händler, wer eine Bestellung (bzw. einen Auftrag) absenden wird (z. B. Kunden, die offene Rechnungen noch nicht beglichen haben). Dies führt zu einem Problem: Würde man die Produkte im Shop als verbindliches Vertragsangebot ansehen, könnte jedermann per Bestellung sofort und unkontrolliert einen Vertrag mit dem Onlinehändler herbei- führen. Der Händler wäre also der ständigen Gefahr ausgesetzt, mehr Verträge abzuschließen als er erfüllen kann (er hat beispiels- weise nur 50 Kaffeemaschinen vorrätig, erhält aber 100 Bestellungen innerhalb kürzester Zeit - noch bevor er das Angebot aus dem Shop entfernen kann). Sobald der Onlinehändler die betreffenden Waren nicht mehr vorrätig hätte oder Leistungen nicht mehr aus- führen könnte, würden mit jeder weiteren Bestellung gültige Verträge zustande kommen, die nicht bedient werden können. Der Händler wäre dadurch zahlreichen Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung der Verträge ausgesetzt. Des Weiteren würde er bei diesem Modell der Vertragslegung auch automatisch und gegen seinen Willen Verträge mit Leuten abschließen, die ihm bereits als unzuverlässige Vertragspartner bekannt sind.
Aus diesem Grund hat sich die Rechtssprechung bereits seit einigen Jahrzehnten1 darauf festgelegt, dass Produktpräsentationen kein verbindliches Vertragsangebot darstellen. Ein Anbieter von Waren oder Leistungen soll in kontrollierter Weise selbst entscheiden können, mit wem und wie viele Verträge er abschließt.
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Früher zunächst betreffs Katalogen, Broschüren und Auslagen im Schaufenster, später dann auch hinsichtlich Onlineshops.
Auch wenn es ungewöhnlich erscheinen mag: Da die im Shop präsentierten Produkte bzw. Leistungen kein verbindliches Angebot dar- stellen, wird erst die Bestellung des Kunden zum Vertragsangebot - die erste verbindliche Willenserklärung. Die Vertragsannahme oder -ablehnung erfolgt dann anschließend durch den Betreiber des Onlineshops. Im Falle der Vertragsannahme entsteht ein rechts- gültiger Vertrag (z. B. Kaufvertrag, Werkvertrag, Mietvertrag usw.).
Diese Frage läßt sich nicht ganz leicht beantworten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die je nach Onlineshop eingesetzt werden. Insbesondere kommt es auf die Formulierung der Bestellbestätigung an, die der Kunde per eMail erhält. Die im Fernabsatz gesetz- lich vorgeschriebene Unterrichtung des Verbrauchers, wie der Vertrag zustande kommt (häufig zu finden in den AGB) spielt ebenfalls eine Rolle. Grundsätzlich läßt sich aber sagen, dass spätestens mit Versand der Ware oder mit Beginn der Ausführung der Leistung ein Vertrag zustande kommt. Im Folgenden werden nun einige Beispiele für Bestellbestätigungen gegeben und kurz erläutert ob und warum ein Vertrag zustande kommt:
Beispiel 1:
"Vielen Dank für Ihre Bestellung, deren Eingang wir hiermit bestätigen. ..."
Hier kommt mit der Bestellbestätigung noch kein Vertrag zustande, da vom Verkäufer lediglich der Eingang (Zugang) der Bestellung bestätigt wird. Diese Form der Bestätigung ist übrigens für die meisten Betreiber von Onlineshops empfehlenswert, um Probleme zu vermeiden (z. B. voreilig abgeschlossene Kaufverträge bei Preisirrtümern im Onlineshop). Vollständig könnte die vertragsrechtlich ent- scheidende Aussage im Bestätigungsschreiben beispielsweise so lauten:
1.1.
"Vielen Dank für Ihre Bestellung, deren Eingang wir hiermit bestätigen. Sie erhalten in Kürze eine Versandbestätigung, sobald einer unserer Mitarbeiter Ihre Bestellung geprüft und freigegeben hat."
Alternative:
1.2.
"Vielen Dank für Ihre Bestellung, deren Eingang wir hiermit bestätigen. Sobald einer unserer Mitarbeiter Ihre Bestellung geprüft und freigegeben hat, werden wir die Artikel an Sie versenden."
Beim Beispiel 1.1. kommt der Vertrag mit Zugang der Versandbestätigung1 zustande (dadurch entsteht u. a. ein rechtlicher Anspruch auf Lieferung seitens des Kunden), beim zweiten Beispiel (1.2.) entsteht der Vertrag durch Versand der Ware.2 Hier wird auch noch- mals deutlich, dass ein Vertrag sowohl schriftlich (durch Versandbestätigung) zustande kommen kann, als auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten (Versand der Ware). Beide Formen der Vertragsannahme führen zu einem rechtsgültigen Vertrag.
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Eine Unterschrift oder elektronische Signatur ist nicht notwendig, es reicht eine einfache eMail.
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Beim Versand von Waren kommt der Vertrag übrigens bereits mit dem Abschicken der Ware zustande, nicht erst mit der Ablieferung derselben beim Kunden. Dieser kleine Unterschied macht sich allerdings nur bei Verbraucherverträgen bemerkbar, und auch nur dann, wenn die Ware auf dem Weg zum Kunden spurlos verschwindet und dieser auf Vertragserfüllung (Lieferung) besteht. Der Verkäufer ist dann nämlich verpflichtet die Ware nocheinmal zu versenden. (Gleichzeitig hat er allerdings Schadensersatzansprüche gegenüber dem Transportunternehmen.)
Beispiel 2:
"Ihr Auftrag wird jetzt unter der Kundennummer XYZ von unserer Versandabteilung bearbeitet. ... Wir bedanken uns für den Auftrag."
Dieser Beispieltext stammt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs. Der Onlinehändler hatte zunächst den Eingang der Bestellung bestätigt und anschließend eine zweite eMail mit diesem Text verschickt. Die Information, dass der Auftrag nunmehr von der Versand- abteilung bearbeitet werde und der Händler sich des Weiteren für den Auftrag bedankt, wertete das Gericht als Erklärung der An- nahme der Bestellung und leitete daraus den Kaufvertrag her.
Beispiel 3:
"Vielen Dank für Ihren Auftrag. Bitte überweisen Sie den Betrag in Höhe von ... Euro auf folgendes Konto: ..."
Mit einer derartigen Aussage kommt ebenfalls ein Vertrag zustande. Aus dem Sachverhalt, dass der Unternehmer zur Überweisung des Geldbetrages auffordert, lässt sich die Zustimmung (Vertragsannahme) zum erteilten Auftrag herleiten.
Beispiel 4:
"Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Sie in Kürze erreichenden Bestellung." + Zusatz: "Keine Auftragsbestätigung."
Diese widersprüchliche Aussage stammt aus einer Bestätigungsmail, die vor dem Landgericht Gießen verhandelt wurde. Einerseits kann man aus dem ersten Satz die Annahme der Bestellung herleiten (= Vertrag), andererseits bedeutet die Aussage "Keine Auftrags- bestätigung", dass diese eMail eben noch keine Vertragsannahme darstellt. Das Landgericht Gießen entschied sich für Letzteres und wertete die Aussage "Keine Auftragsbestätigung" als höhergewichtig.
Beispiel 5.1:
"Wir werden Ihren Auftrag umgehend bearbeiten."
Keine Vertragsannahme laut Urteil des Amtsgerichts Butzbach. Hier wurde lediglich die Entgegennahme des Auftrags bestätigt, nicht aber bereits dessen Annahme erklärt.
Beispiel 5.2:
"Wir werden Ihren Auftrag umgehend ausführen."
Rechtsverbindliche Vertragsannahme laut Urteil des Landgerichts Köln. Die "Ausführung" eines Auftrages liegt nach dem maßgeblichen allgemeinen Sprachverständnis in seiner Erledigung bzw. Erfüllung, so das Gericht. Somit ist eine derart formulierte eMail als Vertrags- annahme zu werten.
Aussagen wie "Sonderangebot", "Angebot des Tages" oder "Heute im Angebot" stellen im Onlineshop (und auch im Katalog, Schau- fenster usw.) trotz der Verwendung des Begriffs "Angebot" kein verbindliches Vertragsangebot dar. Derartige Aussagen haben lediglich Werbe-Charakter.
Bestellübersichten, die per eMail zugestellt werden, sind nicht als Vertragsannahme zu werten. Sie geben lediglich die vom Kunden eingegebenen Daten wieder. (Landgericht Essen, Az. 16 O 416/02)
Zitat aus einem Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel:
"... Die nicht zu beanstandenden und wirksam einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten stellen klar, dass die Bestellung des Kunden ein Kaufangebot ist, das durch die Bestätigung der Bestellung (nicht der Bestätigung ihres Zuganges) ange- nommen wird. Diese Klarstellung steht auch mit der herrschenden Rechtslage in Einklang."
(Az. 17 C 477/02)
Alternative Begriffe für Tüftler am eigenen Onlineshop:
- Statt Bestellbestätigung: Eingangsbestätigung oder Zugangsbestätigung. (Sehr zu empfehlen für automatisch verschickte eMails, die nur den Erhalt der Bestellung und vorerst nichts anderes bestätigen sollen.)
- Statt Versandbestätigung: Auftragsbestätigung. (Insbesondere für Dienstleistungs- und Werkverträge, wo nichts verschickt wird.)
Wie eingangs bereits erwähnt, stellen Waren und Leistungen, die bei eBay und ähnlichen Plattformen zum Verkauf per Höchstgebot angeboten werden, ein verbindliches Vertragsangebot dar - ganz anders als im "normalen" Onlineshop, wo dies nicht der Fall ist.
Die Begründung liegt auf der Hand: Bei eBay & Co. ist für den Verkäufer von Anfang an klar, dass es für das jeweils angebotene Produkt nur einen einzigen Käufer geben kann - nämlich der Höchstbietende. Diese Einschränkung führt dazu, dass es für den Ver- käufer zu keiner überhöhten Nachfrage kommen kann, die seine Liefer- bzw. Auftragskapazitäten übersteigt. Aus diesem Grund hat sich die Rechtssprechung in zahlreichen Urteilen darauf festgelegt, dass bei eBay und ähnlich funktionierenden Plattformen keine "invitatio ad offerendum" wie im normalen Onlineshop vorliegt. Statt dessen stellt jedes angebotene Produkt auf derartigen Markt- plätzen ein rechtsverbindliches Vertragsangebot dar. Das (zuletzt) abgegebene Höchstgebot führt dann als Vertragsannahme direkt zum Vertrag.
Es folgen einige ausgewählte Zitate aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs betreffs Internet-Auktionen:
"Willenserklärungen (die zum Vertrag führen) können auch per Mausklick abgegeben werden."
"Bei einer Internet-Auktion handelt es sich nicht lediglich um eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Sinne einer invitatio ad offerendum."
"Die Freischaltung einer Angebotsseite stellt bereits ein rechtsverbindliches Verkaufsangebot dar, das der Bieter durch sein Höchst- gebot annimmt."
"Das Vertragsangebot des Verkäufers richtete sich zwar an eine nicht konkret bezeichnete Person (ad incertam personam). Es genügt aber dem Bestimmtheitserfordernis, weil zweifelsfrei erkennbar ist, mit welchem Auktionsteilnehmer der Verkäufer den Vertrag abschließen will, nämlich (nur) mit dem, der innerhalb des festgelegten Angebotszeitraums das Höchstgebot abgibt."
"Bei einer Internet-Auktion handelt es sich nicht um Glücksspiel im Sinne des § 762 BGB." (Durch Glücksspiel, nicht zu verwechseln mit Gewinnspielen, entstehen keine Verbindlichkeiten. Der Rechtsanwalt des Beklagten hatte u. a. versucht, eBay als "Glücksspiel" einzuordnen, damit sein Mandant einen PKW nicht liefern muss, der per Höchstgebot weit unter Wert verkauft wurde. Dieser Versuch und auch alle anderen sind gescheitert. Der PKW musste zum "Schnäppchenpreis" an den Kläger herausgegeben werden, da per Höchstgebot ein rechtsgültiger Kaufvertrag zustande gekommen war.)
(Az. VIII ZR 13/01 + Pressemitteilung)
Weitere (teilweise sehr interessante) Zitate aus verschiedenen Gerichtsurteilen zu eBay & Co.:
Oberlandesgericht Oldenburg:
"Die Besonderheiten von Internetauktionen erfordern die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote; der Bieter wäre der Willkür des Anbieters ausgesetzt, wenn dieser es sich jederzeit überlegen könnte, ob er ein Angebot gelten lassen will oder nicht. ... Auch die eBay-Grundsätze für das vorzeitige Beenden von Angeboten und das Streichen von Geboten, auf die sich der Beklagte beruft, be- tonen ausdrücklich, dass alle bei eBay eingestellten Artikel grundsätzlich verbindliche Angebote sind und dass nur in Ausnahme- fällen eine Auktion vorzeitig beendet werden darf. ... Die eBay-Grundsätze nennen als Gründe dafür einen Irrtum über die Be- schaffenheit des Artikels oder die zwischenzeitliche Veränderung der Beschaffenheit. Damit soll indes keine zusätzliche Handhabe geschaffen werden, sich auf rechtlich nicht ohne weiteres einzuordnende Art und Weise von der Willenserklärung zu lösen.
Nach der gesetzlichen Regelung kann der Erklärende eine verbindliche oder nicht (mehr) widerrufliche Willenserklärung nur im Wege der Anfechtung wieder beseitigen. Diesen Grundsatz bestätigt § 9 Ziffer 11 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, indem dort festgelegt wird, dass bei vorzeitiger Beendigung der Online-Auktion, was nur auf der Grundlage der genannten eBay-Grundsätze geschehen kann, der Vertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden (!) zustande kommt. Die in den eBay-Grundsätzen aufgeführten Gründe für das vorzeitige Beenden von Angeboten bzw. das Streichen von Geboten, nämlich der Irrtum über die Beschaffenheit der Kaufsache oder deren zwischenzeitliche Veränderung, nehmen ausdrücklich auf die Irrtums- anfechtung des § 119 BGB Bezug. Der Anbieter kann zwar aufgrund der eBay-Grundsätze tatsächlich die Online-Auktion vorzeitig beenden; am Bestand der von ihm abgegebenen Willenserklärung ändert diese Maßnahme allein jedoch nichts, wenn er nicht gleichzeitig über einen Anfechtungsgrund verfügt und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Anfechtung erklärt."
(Az. 8 U 93/05)
Amtsgericht Menden:
"... Dabei stellt die Freischaltung der Angebotsseite für die Versteigerung der vier Felgen seitens der Klägerin ein verbindliches Verkaufsangebot dar. Das Gebot des Beklagten ist die Annahme dieses Angebotes durch den Beklagten. Die wechselseitigen Er- klärungen der Parteien sind eBay als Empfangsvertreter der Parteien jeweils zugegangen und damit wirksam geworden. Dadurch ist der Kaufvertrag zwischen den Parteien zustandegekommen, wobei der Vertrag noch unter der aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB stand, dass innerhalb der Bietfrist kein höheres Gebot abgegeben wird.
... Das bedingte Rechtsgeschäft (der bedingte Vertrag) ist (mit Abgabe des Höchstgebots) tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur seine Rechtswirkungen sind bis zum Eintritt der Bedingung (Laufzeitende der Auktion) in der Schwebe. Für alle Gültigkeits- voraussetzungen kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes an, nicht auf den des Bedingungseintritts."
(Az. 4 C 183/03)
Anmerkung: Die hier gelb markierte Aussage ist deshalb interessant, weil in den Anfängen des Internets unklar war, wie und wann (und ob überhaupt) bei einer Internet-Auktion ein Vertrag zustande kommt. Die Rechtssprechung hat sich dann mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2001 (und später nocheinmal im Jahr 2004) darauf geeinigt, dass der Vertrag bereits mit der Abgabe eines Gebots zustande kommt. Dieser steht dann unter der aufschiebenden Bedingung, dass während der Laufzeit der Auktion kein höheres Gebot abgegeben wird.
(Dieser Sachverhalt ist insbesondere dann interessant, wenn der Verkäufer die Auktion vorzeitig abbricht, weil ihm beispielsweise das aktuelle 1-Euro-Höchstgebot nicht passt. Der Vertrag wird dadurch nämlich nicht aufgelöst, sondern - im Gegenteil - zum Betrag von 1,00 € vollendet. Kann der Verkäufer anschließend nicht nachweisen, dass der Abbruch der Auktion rechtmäßig war oder gibt er nur scheinheilige Gründe dafür an, muss er seinen vertraglichen Pflichten nachkommen und die Ware zum Preis von 1,00 € liefern. Kann er dies nicht mehr, weil er die Ware in- zwischen weiterveräußert hat, führt dies zu Schadensersatzansprüchen.)
Landgericht Bonn:
"... Der Kaufvertrag ist wirksam. Er ist insbesondere nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. ... Zwar dürfte beim Kauf eines Pkw im Wert von 8.500,00 € zu einem Preis von 63,00 € von einem besonders krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegen- leistung auszugehen sein. ... Gerade bei Internet-Auktionen wie der vorliegenden ist es aber nicht angebracht, allein auf das Ver- hältnis von Preis und Leistung abzustellen. Denn die Teilnehmer an einer solchen Auktion sind sich regelmäßig bewusst, dass die Ermittlung der Höhe der Gegenleistung von anderen Faktoren als allein dem üblichen Marktwert eines Artikels abhängt.
Die Erwartung des Verkäufers, durch geschicktes Einstellen eines Artikels ein möglicherweise besonders gutes Geschäft zu machen, und dem gegenüber die Vorstellung des Bieters, im richtigen Moment zu einem besonders günstigen "Schnäppchen" zu kommen, gehören geradezu zum Wesen einer derartigen Vertragsanbahnung. Dass bei der Wahl einer solchen Verkaufsplattform die Präsentation eines Artikel aber nur dann verbindlich sein soll, wenn auch ein "angemessener" Preis erzielt wird, wird nach dem Vorstehenden deswegen nicht zu folgern sein. Mit einer solchen Sichtweise wäre überdies für sämtliche Internetversteigerungen die Problematik eröffnet, dass grundsätzlich Unsicherheit darüber bestehen würde, wann von einer die Verbindlichkeit des Rechts- geschäfts begründenden Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden kann.
Letztlich hat sich gerade der Beklagte, der sich nunmehr auf die Sittenwidrigkeit beruft, für den Weg der Online-Auktion ent- schieden, um auf diese Weise den Pkw auf unkomplizierte Weise zu veräußern. Er hat hierbei den Pkw zu einem extrem niedrigen Startpreis von 1,00 € angeboten mit der Folge, dass bereits zu diesem Preis die Annahme seines Verkaufsangebots wirksam er- klärt werden konnte. Dass eine krasse Unangemessenheit der Gegenleistung in Form des letztgültigen Gebots ... von vornherein zur Unwirksamkeit des Vertrags führen soll, ist schon vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. ... Nach alledem hat sich bei der vorliegenden Fallgestaltung in der Person des Beklagten allein das Risiko desjenigen realisiert, der die Möglichkeiten der Vertragsanbahnung durch eine Internet-Plattform nutzt und dabei ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen - wohl zur Steigerung der Attraktivität des eigenen Angebotes - einen extrem niedrigen Startpreis angesetzt hat."
(Az. 1 O 307/04)
Waren und Leistungen, die bei eBay und anderen Marktplätzen über die Sofort-Kaufen-Option angeboten werden, stellen ebenfalls ein verbindliches Vertragsangebot dar. Eine "invitatio ad offerendum" wird von der Rechtssprechung verneint. Dies jedoch nicht auf Grund der Aussage "Sofort-Kaufen", sondern wegen der auf der Webseite technisch begrenzten Menge der jeweils angebotenen Ware oder Leistung.
Mit anderen Worten: Ist eine Webseite (sei es eBay oder ein Onlineshop) technisch (!) so gestaltet, dass die Anzahl der Bestellungen begrenzt ist, dann handelt es sich bei der angebotenen Ware oder Leistung um ein verbindliches Vertragsangebot. Durch eine Be- stellung kommt also direkt ein Vertrag zustande. Bedingung ist dabei, dass das Angebot nach Erreichen der maximalen Anzahl an Bestellungen automatisch von der Webseite entfernt wird bzw. dass dann keine weiteren Bestellungen mehr möglich sind.
Wir erinnern uns: Im "normalen" Onlineshop sind die angebotenen Produkte deshalb kein verbindliches Vertragsangebot, weil für den Betreiber des Onlineshops nicht absehbar ist, wieviele Bestellungen er erhalten wird. Bei einer zu großen Nachfrage würden sonst mehr Verträge abgeschlossen werden, als er erfüllen kann (was zu Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung des Vertrags führt). Ist die Anzahl der Bestellungen jedoch technisch begrenzt (auf genau die Menge, die vertraglich erfüllt werden kann), fällt die Gefahr, zu viele Verträge abzuschließen, weg - und im selben Zug auch die Sonderreglung "invitatio ad offerendum".
Das Oberlandesgericht Jena formuliert es in einem Urteil so:
"... Das Zurverfügungstellen einer "Sofort-Kaufen"-Option im Rahmen der Internetplattform ebay.de stellt keine bloße 'invitatio ad offerendum' dar, sondern ein verbindliches Angebot an denjenigen, der sich während des Bestehens der Sofortkauf-Option durch das An- klicken der "Sofort-Kaufen"-Option zum Vertragsschluss unter den im Angebot genannten Bedingungen bereit erklärt. Da die "Sofort- Kaufen"-Option nur so lange zur Verfügung steht, wie der oder die zu diesen Bedingungen angebotenen Artikel überhaupt verfügbar sind, ist der Verkäufer in Hinblick auf seine Vorratshaltung nicht weiter schutzbedürftig und seine Willenserklärung als ein verbindliches An- gebot anzusehen, welches der Käufer nur noch durch Anklicken der "Sofort-Kaufen"-Option anzunehmen braucht bzw. annehmen kann. Ein Vertrag über die angebotene Ware kommt dementsprechend dadurch zustande, dass der Käufer die "Sofort-Kaufen"-Option betätigt, ohne dass es einer weiteren Bestätigung durch den Verkäufer bedürfe."
(Az. 2 W 124/07)
Der Nachteil dieser Methode des Vertragsschlusses ist klar: Der Online-Händler hat nur wenig bis gar keine Kontrolle, mit wem er einen Vertrag schließt. So sind Händler bei eBay beispielsweise gezwungen, mit jedem x-beliebigen Käufer einen Vertrag zu schließen, auch wenn dieser sehr schlechte Bewertungen hat oder anderweitig bereits negativ aufgefallen ist.
Sonderfall am Beispiel amazon.de: Im Onlineshop von Amazon liegen die oben dargestellten Voraussetzungen für einen sofortigen Vertragsschluss ebenfalls vor; sobald der letzte verfügbare Artikel verkauft ist, wird das Angebot aus dem Shop entfernt bzw. mit dem Hinweis "Derzeit nicht lieferbar" versehen. Es liegt also scheinbar keine 'invitatio ad offerendum' vor. Ein Blick in die AGB von amazon.de (§ 2 - Vertragsschluss) zeigt jedoch, dass sich das Unternehmen den Vertragsschluss vorbehält. Hier ist festgelegt, dass der Kauf- vertrag erst per Versandbestätigung oder durch Lieferung der Ware zustande kommt.
Hinweis für Händler bei eBay: Es gibt mehrere Gerichtsurteile, dass eine derartige AGB-Klausel, wie sie Amazon verwendet, bei eBay und ähnlichen Plattformen unzulässig ist, da der Kaufvertrag hier - entsprechend der AGB von eBay - bereits mit der Abgabe eines Gebots bzw. durch einen ent- sprechenden "Sofortkauf" zustande kommt! Dies darf durch eine eigene AGB-Klausel (des eBay-Händlers) nicht anders geregelt werden. (Im normalen Onlineshop ist eine solche Klausel natürlich problemlos möglich.)
Wie ist die Rechtslage, wenn ein höherpreisiger Artikel versehentlich zu einem viel zu niedrigen Preis (z. B. 1,00 € statt 100,00 €) per Sofortkauf angeboten wird und ein Schnäppchenjäger zuschlägt?
Rechtlich ist es so, dass hier vorläufig ein Kaufvertrag zustande kommt. Dieser ist aber wegen Irrtums nach § 119 BGB anfechtbar. Die Anfechtung muss wiederum unverzüglich erfolgen (innerhalb weniger Tage, besser sofort; siehe § 121 BGB). Unterbleibt diese An- fechtung oder erfolgt sie zu spät oder werden rechtlich unerhebliche Gründe angegeben ("Ware plötzlich abhanden gekommen" oder "Meinung geändert"), kann das so oder ähnlich enden:
"Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das Eigentum an dem PKW-Kastenanhänger "Variant" ... nebst den dazugehörigen Fahrzeug- papieren zu übertragen und ihm den Anhänger und die Papiere zu übergeben, Zug um Zug gegen Zahlung von 1,00 €."
(Amtsgericht Moers, Az. 532 C 109/03)
Wurde die Anfechtung hingegen korrekt durchgeführt, würde ein Gericht in der Regel so entscheiden:
"Dem Kläger steht der ... Anspruch auf Übereignung des Motorrades nicht zu. Der zunächst wirksam geschlossene Kaufvertrag ist durch Anfechtung des Beklagten wegen Irrtums nachträglich unwirksam geworden. ... Eine unverzügliche Anfechtungserklärung liegt vor. Der genaue Inhalt des zwischen den Parteien noch in der gleichen Nacht geführten Telefonats kann dahinstehen. In seiner eMail ... weist der Beklagte ausdrücklich auf ein Versehen hin, und darauf, dass niemand ein Motorrad mit einem Wert von 1.000,00 € und angesichts einer Gebühr von 11,00 € für nur 1,00 € verkauft. Diese Formulierung sowie der Hinweis auf einen offensichtlichen Fehler ist dahin zu werten, dass er wegen Irrtums an seiner Erklärung* nicht festhalten will; das genügt den Anforderungen, die an eine Anfechtungs- erklärung zu stellen sind - unabhängig hiervon wäre in der Erklärung der Bevollmächtigten (Rechtsanwältin) des Beklagten im vor- prozessualen Schreiben eine immer noch rechtzeitige Anfechtung zu sehen."
*Willenserklärung (Verkaufsangebot zum Preis von 1,00 €).
(Amtsgericht Lahnstein, Az. 2 C 471/04)
Zitat aus einem Urteil des Landgericht Berlin:
"... Ob eine Artikelpräsentation auf einer Internetseite bereits ein bindendes Angebot des Unternehmers ... darstellt oder nur eine Auf- forderung an den Nutzer beinhaltet, seinerseits ein Kaufangebot abzugeben, ist nach dem objektiven Erklärungswert unter Würdigung aller Umstände durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel ist mangels anderer tatsächlicher Anhaltspunkte von der zweiten Alternative auszugehen."
(Az. 16 O 149/07)
Noch ein Zitat des Landgericht Berlin:
"... Ein Rechtsbindungswille der Antragsgegnerin tritt ferner nicht bereits dadurch in Erscheinung, dass sie ihr Angebot in einen Online- shop eingestellt und so präzisiert hat, dass der Interessent nur noch einen Button betätigen muss. Die Situation ist vergleichbar der Präsentation des Multifunktionsgerätes in einem Ladengeschäft, bei dem ein Verkaufsschild die notwendigen Informationen vermittelt. Hier wie dort möchte sich der Unternehmer im Zweifel noch nicht endgültig binden, etwa weil die eingehenden Anfragen seinen Vorrat möglicherweise übersteigen oder er sich die Prüfung des Kunden vorbehalten will."
(Az. 16 O 149/07)
Surf-Tipp: education.ebay.de/verkaeuferhandbuch
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