Letzte Revision: 21.06.2008
Nichtige versus anfechtbare Verträge |
(void vs. voidable contracts / german contract law) |
Rechtsgeschäfte können:
nichtig sein, also von vornherein ungültig, oder
anfechtbar, dass heißt, so lange gültig, bis sie angefochten und somit (von Anfang an) nichtig werden (§ 142 BGB).
Verträge mit geschäftsunfähigen Personen (Kinder bis 6 Jahre); Ausnahme: Kinder, die im Auftrag der Eltern oder einer anderen geschäftsfähigen Person als Bote auftreten und zum Beispiel Brötchen beim Bäcker kaufen. In solchen Fällen kommt der Vertrag aber ohnehin mit dem Auftraggeber des Kindes zustande.
Scheingeschäfte
Scherzgeschäfte (Willenserklärungen bzw. Verträge, die eindeutig nicht ernst gemeint sind)
Formmangel (z. B. Grundstücks- oder Hauskauf ohne Notar)
Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
Sittenwidrigkeit*; Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheb- lichen Willensschwäche einer Person; Verschaffung von Vermögensvorteilen, die in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen.
Sittenwidrigkeit bezieht sich in erster Linie auf die kaufmännische Sitte. So sind z. B. Preiswucher und Knebelverträge (beides nur in Zusammenhang mit der Ausbeutung einer Zwangslage usw.) sittenwidrig und somit nichtig. Beispiel für die Ausnutzung einer Zwangslage in Verbindung mit Preiswucher: Jemand verkauft einem anderen, dessen Fahrzeug wegen Spritmangel liegen geblieben ist, den Liter Benzin für 10 EUR. Dieser Kaufvertrag ist nichtig. Ein anderes Beispiel ist der Verkauf von Radarwarngeräten. Auch dies ist ein Verstoß gegen § 138 BGB (Bundesgerichtshof Az. VIII ZR 129/04 Urteil vom 23.2.2005).
Aber:
"Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen."
(Die Finger über Kreuz legen und hinter dem Rücken verstecken, bringt also gar nichts.)
Zu den nichtigen Verträgen gehören auch so genannte schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte, die jedoch per Erklärung nach- träglich wirksam werden können. Dazu gehören:
Verträge mit beschränkt geschäftsfähigen Personen (Minderjährige im Alter von 7 bis 17 Jahren) ohne vorherige Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (siehe § 107 BGB). Nach § 108 BGB werden solche Verträge erst durch Volljährigkeit oder durch nachträgliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam (gemäß § 184 BGB von Anfang an wirksam); in Ausnahmefällen auch durch konkludentes Handeln des gesetzlichen Vertreters, zum Beispiel Übernahme der Haftpflichtversicherung beim Mopedkauf eines 16-jährigen Azubis durch die Eltern. Darüber hinaus ist für den geschäftsfähigen Vertragspartner (z. B. Verkäufer) ein besonderes Widerrufsrecht bestimmt, dass im § 109 BGB verankert ist.
Nicht betroffen von dieser Regelung sind Kaufverträge, die von Minderjährigen mit Mitteln aus ihrem (ggf. angesparten) Taschen- geld bewirkt werden (z. B. Kauf einer Jeans oder einer CD). Solche Kaufverträge sind auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters uneingeschränkt wirksam. (Genau genommen stellt die Übergabe von Taschengeld an das Kind eine pauschale Vorab- zustimmung der Eltern dar.) Dies ist im § 110 BGB, der so genannte "Taschengeldparagraph", geregelt:
Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
Vereinbarungen zur Ratenzahlung mittels Taschengeld bleiben allerdings schwebend unwirksam bis die letzte Rate bezahlt ist, es sei denn, der gesetzliche Vertreter hat eine Einwilligung zum Ratenvertrag erteilt. Darüber hinaus ist die Bezeichnung "Taschengeld- paragraph" etwas irreführend, da vom § 110 BGB auch Geschäfte abgedeckt sind, bei denen der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen für einen bestimmten Zweck (z. B. Kauf eines Motorrollers) Geld zur Verfügung stellt.
Eine weitere Ausnahme sind Rechtsgeschäfte von beschränkt geschäftsfähigen Personen, die im Rahmen eines vom gesetzlichen Vertreters vorher genehmigten Arbeitsverhältnisses erfolgen (§ 113 BGB). Beispiel: Eine siebzehnjährige Angestellte bestellt Büromaterial. Hier kommt ein gültiger Kaufvertrag zustande, obwohl die junge Dame noch minderjährig ist.
Verträge im Namen eines anderen ohne Vollmacht (siehe § 177, 178 und 179 BGB).
Schließlich gibt es noch die Teilnichtigkeit von Verträgen. Diese Regelung ist im § 139 BGB festgelegt und gilt für Verträge, die einzelne unwirksame Bestimmungen enthalten:
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
Irrtum bei der Abgabe einer Willenserklärung. Achtung! Dies ist kein Gummiparagraph! Es gibt bei Verträgen nur sehr wenige Fälle, in denen man sich auf Irrtum gemäß § 119 berufen und den Vertrag anfechten kann. Zu diesen Fällen gehören insbesondere so genannte Erklärungsirrtümer, zum Beispiel Schreibfehler: Kaufvertrag über einen Neuwagen für 2.000 EUR statt 20.000 EUR.
Vom Erklärungsirrtum abzugrenzen ist noch der so genannte Inhaltsirrtum. Dieser liegt vor, wenn zum Beispiel zwei Vertrags- parteien unter im Vertrag verwendeten Begriffen verschiedene Dinge verstehen, was oft bei Fachbegriffen oder Fremdwörtern der Fall ist. Der Inhaltsirrtum greift auch, wenn die Kalkulationsgrundlage der Vertragsparteien unterschiedlich ist. Beispiel: Ein Unternehmer kalkuliert den Bau eines Hauses, vergisst aber, dass dieses an einem Hang und somit mit einem besonderen und teuren Fundament errichtet werden muss.
Zusätzlich gilt § 122 BGB: Schadensersatzpflicht des Anfechtenden. Dies greift insbesondere für Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Gültigkeit der Willenserklärung gemacht wurden.
Einfache Fehlvorstellungen ("Ware gefällt doch nicht ...", "Anders überlegt ...") sind dagegen im Rahmen des § 119 ohne jede Bedeutung. Wäre es anders, könnte fast jede Willenserklärung bzw. jeder Vertrag angefochten werden, es gebe keinerlei Sicherheit bei Rechtsgeschäften.
Fehlerhafte Übermittlung durch Personen (z. B. falsche Übersetzung eines Vertrags durch einen Übersetzer) oder fehler- hafte Übermittlung durch technische Einrichtungen (Fax, Software usw.).
Arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung.
Die Anfechtung muss in den Fällen der § 119 und 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
Die Anfechtung ist (generell) ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Die Anfechtung ist (generell) ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Für alle anfechtbaren Rechtsgeschäfte gilt darüber hinaus: Gemäß § 143 BGB muss die Anfechtung durch Erklärung (in münd- licher oder schriftlicher Form) gegenüber dem Anfechtungsgegner erfolgen. Die Anfechtungserklärung muss nicht ausdrücklich den Begriff Anfechtung enthalten. Es reicht beispielsweise folgender Wortlaut:
Sehr geehrter Kunde,
bei der Preisangabe zum Artikel X hat sich ein Fehler eingeschlichen. Er kostet 120 EUR, nicht 12 EUR. Aus diesem Grund können wir den von Ihnen bestellten Artikel leider nicht ausliefern. ...
Darüber hinaus sollten Unternehmer sehr vorsichtig mit ungeprüften pauschalen Zusicherungen sein, z. B. "Der Motor ist in bestem Zustand" oder "Ich bin mir sicher, dass der Wagen unfallfrei ist". Derartige Aussagen können eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung begründen.
Vertrag ist Vertrag, sagt man. Aber was passiert eigentlich, wenn sich jemand bei einer Ver- steigerung im Internet vertippt? Wenn man zum Beispiel beim Mindestgebot für sein Auto eine 0 vergisst - und der Wagen dann als Superschnäppchen weggeht?
Ein Autoverkäufer muss den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf darüber informieren, ob es sich um ein Import-Auto handelt. Verschweigt er dies, so kann der Käufer einen bereits geschlossenen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und damit hinfällig machen.
Wenn Sie schon immer ein Notebook im Wert von knapp 2.000 Euro für 18,49 Euro kaufen wollten, dann war gestern (11.01.2007) kurz nach Mitternacht Amazon.de Ihre Fundgrube, wie der Stern berichtet. Da gab es solche Superschnäppchen. Nur wird niemand in den Genuss der Geräte gelangen. Denn Amazon versandte an alle Betroffenen eine Email, in der klargestellt wurde, dass es sich um einen bedauerlichen Irrtum in der Preisauszeichnung handele, man die Bestellung gestrichen habe und höchst vorsorglich den Kaufvertrag wegen eines Irrtums bei der Preisauszeichnung anfechte.
Irren ist menschlich, heißt es im Volksmund zurecht. In aller Regel bleibt ein solches Versehen auch ohne Konsequenzen. Doch Juristen sind zwangsläufig ein wenig strenger. Wer sich bei einem Geschäft geirrt hat, kommt nur schwer wieder aus dem Vertrag heraus. Thilo Eckoldt hat sich mit menschlichen und juristischen Irrtümern beschäftigt. / Hinweis: Es handelt sich um das Skript einer Radiosendung, die man sich auch anhören kann. Dazu wird der Realplayer benötigt. Unerfahrene Computernutzer sollten aber auf eine Installation verzichten, da sich dieser Player nur über eine benutzerdefinierte Installation zähmen läßt.
Auch wenn Gewährleistungen bei Internet-Auktionen von Privatpersonen ausgeschlossen werden - die Beschreibung eines Produkts muss mit der Ware übereinstimmen, sonst ist der Deal nichtig.
Ich habe beim Händler einen Gebrauchtwagen gekauft. Als ich das Fahrzeug nun wegen einer kleineren Reparatur in die Werkstatt gebracht habe, hat mir der dortige Meister mitgeteilt, der Tachometer müsse zurückgestellt worden sein. Kann ich den Vertrag rückgängig machen und muss ich gegebenenfalls dem Verkäufer für die zwischenzeitliche Nutzung etwas zahlen?
Irren ist menschlich. Und so kann es schnell passieren, dass man sich bei Ebay-Auktionen vertippt, einen falschen Artikel anbietet oder zu spät feststellt, dass der "echte" van Gogh nur eine Kopie ist. Kann eine Auktion bei Ebay zurückgezogen werden? Oder aus der Käufer- perspektive: Ist die Rücknahme eines Gebots zulässig?
Landgericht Berlin: Ein mehr als zwölf Monate altes Motorrad darf nicht mehr als "fabrikneu" oder als "Neufahrzeug" verkauft werden.
Hier ist zu unterscheiden zwischen einem Kaufvertrag, den der Minderjährige über ein selbst erstelltes Ebay-Konto abschließt und einem Kaufvertrag, der über das Konto der Eltern (bzw. von volljährigen Geschwistern, Verwandten oder Bekannten) abgeschlossen wird. Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlömer erläutert die jeweils rechtliche Situation. Download als mp3-Datei