Letzte Revision: 23.05.2009 | Download als PDF
Alle hier gegebenen Informationen zum Thema Vertragsrecht beziehen sich auf die Gesetzgebung in Deutschland.
Ein Vertrag kann nur durch ein Vertragsangebot und dessen Annahme zustande kommen.
Für die meisten Verträge spielt es keine Rolle, ob sie mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten ab- geschlossen werden.
Jeder schließt fast täglich Verträge ab, ohne sich dessen be- wußt zu sein.
Ein Kaufvertrag bei eBay kommt bereits mit der Abgabe eines Gebots, nicht erst bei Auktionsende zustande.
Vertragsangebote sind in der Regel verbindlich, es sei denn, die Verbindlichkeit wurde ausgeschlossen.
Mündliche Vertragsangebote können nur sofort ange- nommen werden, schriftliche Angebote nur innerhalb eines begrenzten Zeitraums von einigen Tagen oder Wochen.
Eine Vertragsannahme mit Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen führt nicht zum Vertrag.
▼ Angebot und Annahme - Über das Zustandekommen eines gültigen Vertrags
▼ Gesetzliche Regelungen zum Zustandekommen von Verträgen
▼ Sammlung verschiedener Fallbeispiele aus dem Alltag
▼ Interessante Artikel in Onlinezeitungen und Blogs
▼ Sonstige Hinweise zum Vertragsrecht in Kurzform
▼ Übersicht zu weiterführenden Themen (Anfechtung, Rücktritt, AGB usw.)
Unter der Überschrift Vertragsrecht werden hier zunächst ganz allgemein die für alle Vertragstypen gemeinsam geltenden Gesetze und recht- lichen Regelungen aufgezeigt. Dies betrifft sowohl Verträge zwischen Unternehmern oder zwischen Privatpersonen als auch solche Verträge, an denen je ein Unternehmer und eine Privatperson (Verbraucher) be- teiligt sind. Es spielt also bei den nachfolgenden Erläuterungen (zu- nächst) keine Rolle, wer mit wem einen Vertrag abschließt und ob es sich dabei um einen Kaufvertrag, Werkvertrag, Mietvertrag o. ä. handelt.
Ausgangspunkt dieses Kapitels sind die rechtlichen Grundlagen für das Zustandekommen eines Vertrags. Darauf aufbauend folgen Themen wie Rücktrittsrecht, Anfechtung und AGB, deren rechtliche Regelungen eben- falls für zahlreiche Vertragstypen gleichermaßen gelten. Anschließend wird noch auf die gesetzlichen Ergänzungen und Besonderheiten für Kaufvertrag und Werkvertrag (Stichwort: Handwerk) eingegangen.
Sämtliche gesetzlichen Regelungen, die hier angesprochen werden, sind durch entsprechende Verweise auf Gesetzestexte lückenlos belegt und können ggf. gegenüber uneinsichtigen Vertragspartnern zitiert werden, damit diese sich fair und vertragsgerecht verhalten. Vereinzelt sind auch Gerichtsurteile im Wortlaut verfügbar (sofern thematisch erforderlich). Sinn und Zweck dieser Abhandlung ist es, Existenzgründern, Kleingewerbetreibenden und interessierten Verbrauchern einen möglichst klaren Überblick über die Strukturen des Vertragsrechts zu verschaffen. Ziel ist es auch, Mythen, Märchen und Falschwissen über vertragsrechtliche Zusammenhänge aufzuzeigen und zu beseitigen.
Am Ende dieses Kapitels werden Sie wissen ...
wie ein Vertrag zustande kommt,
was Ihre Rechte und Pflichten bei Verträgen sind,
welche Fallgruben, Holzwege und Rechtsirrtümer es gibt,
wo sich im Alltag Kauf-, Werk- und andere Verträge verstecken,
wann Sie ein Rücktrittsrecht haben und welche Alternativen es dazu gibt,
warum überraschende Klauseln und versteckte Preise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen allenfalls ein müdes Lächeln erzeugen,
und mit welchen BGB-Zitaten Sie unseriösen Vertragspartnern jederzeit die rote Karte zeigen können.
(BGB:
Bürgerliches Gesetzbuch)
Für das Zustandekommen eines gültigen Vertrags sind immer mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich. Dabei wird die erste (verbindliche) Willenserklärung als Angebot bezeichnet (im Sinne von Vertragsangebot, im BGB auch "Antrag"), die zweite Willenserklärung als Annahme (auch Zustimmungserklärung oder Vertragsannahme). Oder vereinfacht ausgedrückt:
Angebot |
+ |
Annahme |
= |
Vertrag |
---|---|---|---|---|
(1. Willenserklärung) |
|
(2. Willenserklärung) |
|
|
Beispiel:
Kostenvoranschlag |
+ |
Auftragserteilung |
= |
Werkvertrag |
---|
Ein Vertrag kommt grundsätzlich nur durch Angebot und Annahme zustande, also durch einen rechtlich verbindlichen Vorschlag der einen Partei, dem die andere Partei vorbehaltlos zustimmt. Nimmt sich beispielsweise jemand am Kiosk eine Zeitung weg, legt den entsprechenden Geldbetrag auf den Tisch (= Vertragsangebot) und der Verkäufer nimmt das Geld an (= Vertragsannahme), ist auf diese Weise ein Kaufvertrag zustande gekommen.1 An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass ein Vertrag entstehen kann, ohne das die Vertragsparteien auch nur ein Wort miteinander wechseln oder etwas schriftlich festhalten. Verträge kommen vielmehr durch Willenserklärungen zustande und diese können schriftlich, mündlich oder durch bloßes Handeln abgegeben werden.2
1
Viele gehen davon aus, dass die angebotene Zeitung am Kiosk (oder das Brötchen beim Bäcker bzw. die Ware im Regal vom Supermarkt) bereits das Vertragsangebot darstellt und man nur noch das Geld auf den Ladentisch legen muss, um einen Kaufvertrag zu schließen. Das ist aber grund- sätzlich falsch. Es wird in diesem Kapitel noch öfters erläutert werden: Ware im Regal, am Verkaufsstand, im Katalog oder im Onlineshop stellt lediglich eine "invitatio ad offerendum" dar, wie der Jurist sagt - eine "Einladung" (oder Aufforderung) zur Abgabe eines Vertragsangebots. Oder vereinfacht ausgedrückt: Die beim Kioskbesitzer ausgelegten Zeitungen sind nichts weiter als eine Warenpräsentation, kein rechtsverbindliches Verkaufsangebot. Es erfordert erst der Zustimmung (Vertragsannahme) des Zeitungsverkäufers, um einen Kaufvertrag herbeizuführen. Dies mag unwichtig erscheinen, wir werden aber noch sehen, dass es zu ungeheuren Problemen führen würde, wenn es anders wäre (weniger am Kiosk, aber um so mehr im Onlineshop).
2
Ausnahmen: z. B. Grundstückskaufvertrag nur mit Notar, Ausbildungsvertrag nur schriftlich.
Vertrag schriftlich vorlegen
In ein Taxi einsteigen und Fahrtwunsch äußern
Bestellung aus einem Katalog
"Kannst du mir bis morgen 100 EUR borgen?"
Heranfahrende Straßenbahn
"Ich biete Ihnen hiermit die Reparatur für 300 EUR an."
Ware aus Regal nehmen u. Geld auf den Ladentisch legen
Handzeichen für "Noch zwei Bier bitte!"
"Möchten Sie diesen Teppich kaufen?"
Auftragserteilung zu einem unverbindlichen Preisangebot5
verbindliches Preisangebot per eMail
verbindlicher oder unverbindlicher Kostenvoranschlag
Handzeichen bei einer Versteigerung
Auktion bei eBay
Vertrag unterschreiben
Taxameter einschalten und losfahren
Auftragsbestätigung oder zeitnahe Lieferung1
"Aber gern, hier ist das Geld."
Einsteigen und mitfahren2
"Damit bin ich einverstanden. Auftrag erteilt."
Geld annehmen
Bedienung des Gastes3
Kopfnicken4
Auftragsbestätigung oder zeitnahe -ausführung
Bestellung per Fax6
Auftragserteilung7
Zuschlag durch den Auktionator8
Abgabe eines Gebots9
= Vertrag
1 |
Eine Lieferung bzw. Auftragsausführung gilt nur als Vertragsannahme, wenn diese sofort oder zumindest zeitnah erfolgt. |
2 |
Eine so genannte konkludente Handlung: Schlüssiges Verhalten als rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Im oben genannten Beispiel wurde ein Beförderungsvertrag (Werkvertrag) abgeschlossen. Die heranfahrende Straßenbahn bringt zum Ausdruck: "Wir, die Straßenbahngesellschaft X, bieten den Transport von A nach B an. Es gelten unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein- schließlich der Preise für Fahrkarten und der Gebühren für Schwarzfahren." Die Annahme dieses Angebots erfolgt ebenfalls konkludent: durch einsteigen und mitfahren. Hier kommt der oben bereits erwähnte Grund- satz ins Spiel, dass Verträge nicht nur schriftlich zustande kommen können. |
3 |
Ein simpler Kaufvertrag (Bestellung und zeitnahe Lieferung). |
4 |
Das Kopfnicken stellt wie das Einsteigen in die Straßenbahn ebenfalls eine konkludente Handlung dar, die geeignet ist, um einen Vertrag zustande zu bringen. Dieses Beispiel mag zwar stark überspitzt sein, aber rein juristisch betrachtet, ist hier in der Tat ein Kaufvertrag abgeschlossen worden (der im Streitfalle allerdings schwer zu beweisen ist). Ein anderes Beispiel wäre die folgende alltägliche Situation in einem Restaurant: Die Bedienung fragt "Möchten Sie noch ein Glas Wein?" (zum angegebenen Preis in der Weinkarte) und der Gast nickt lediglich mit dem Kopf. Auch hier ist durch einfaches Kopfnicken ein Kaufvertrag zustande gekommen. |
5 |
Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass ein Preisangebot nicht unbedingt ein Angebot im Sinne des Vertragsrechts sein muss. Da das Preis- angebot hier unverbindlich ist, stellt dieses kein Vertragsangebot dar. Erst die Auftragserteilung wird zum Vertragsangebot und die Auftragsbestätigung bzw. -ausführung führt als Vertragsannahme zum Vertrag; siehe auch unten: § 145 BGB / Freizeichnungsklauseln. |
6 |
Bei schriftlichen Vertragsangeboten (zum Beispiel Preisangebote), die mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln unterbreitet werden (Fax, eMail, Post etc.), spielt es in der Regel keine Rolle in welcher Form die Vertragsannahme erfolgt (Ausnahme: z. B. Grundstücks- kauf nur mit Notar). So kann ein per Fax unterbreitetes Preisangebot problemlos mit der Bestellung per eMail oder SMS zum Kaufvertrag führen. Der Gesetzgeber gewährt Formfreiheit für die meisten Vertragstypen. Weitere Beispiele zur Verdeutlichung: Preisangebot per Post Preisangebot per SMS Preisangebot per PM*
*Private Message, z. B. im Internetforum Voraussetzung ist hier lediglich, dass das Vertragsangebot ausschließlich an eine bestimmte Person bzw. an ein bestimmtes Unternehmen gerichtet ist. (Für ein Rundschreiben per eMail mit aktuellen Sonderangeboten trifft dies beispielsweise nicht zu.) Zu beachten ist jedoch, dass diese Regelung nicht für mündliche bzw. telefonische Vertragsangebote gilt; siehe unten: Erläuterungen zum § 147 BGB. |
7 |
Dass die Auftragserteilung zu einem verbindlichen Kostenvoranschlag zum Vertrag (meist Werkvertrag) führt, dürfte klar sein. Interessant ist hier, dass auch die Beauftragung bei einem unverbindlichen Kostenvoranschlag direkt zum Vertrag führt. Die Begründung: Ein un- verbindlicher Kostenvoranschlag darf nicht mit einem unverbindlichen Vertragsangebot verwechselt werden, "unverbindlich" bedeutet beim Kostenvoranschlag lediglich, dass die tatsächlichen Kosten, die später auf der Rechnung erscheinen, bis zu 20 Prozent höher ausfallen können (dürfen), sofern der Kunde rechtzeitig darauf hingewiesen wurde; siehe dazu auch dieser Artikel: Kostenvoranschläge - Manchmal gibt es eine böse Überraschung (wdr.de). |
8 |
Die Vertragslegung durch "Gebot und Zuschlag" ist im § 156 BGB gesetzlich geregelt. (Achtung! Eine klassische Versteigerung nach § 156 BGB darf nicht mit einer "Auktion" bei eBay und ähnlichen Online-Marktplätzen verwechselt werden, da eBay & Co. nicht als Auktionator auftreten. Es wird lediglich eine technische Plattform zur Durchführung von Geschäften zur Verfügung gestellt und auch kein Zuschlag er- teilt. Der Zeitablauf einer Online-Auktion stellt keinen Zuschlag im Sinne des § 156 BGB dar. Dies geht aus mehreren Urteilen des Bundes- gerichtshofs hervor, siehe auch nächste Fußnote.) |
9 |
Kurze Lesepause? Interview mit Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlömer
Wie und wann werden über eBay Verträge geschlossen? Audiocast Bei eBay (und ähnlichen Online-Marktplätzen) kommt ein Vertrag bereits mit der Abgabe eines Gebots, nicht erst bei Auktionsende zustande. (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.11.2004. Anders ausgedrückt: Eine Internetauktion stellt ein verbindliches Verkaufsangebot des Verkäufers dar, dass sich an denjenigen richtet, der während der Laufzeit das höchste Gebot abgibt. Es handelt sich also um ein zeitlich befristetes Angebot nach § 148 BGB (siehe unten). Aus- nahme: Wird man automatisch Höchstbietender, weil ein anderer Bieter sein höheres Gebot zurückgezogen hat, kommt kein Kaufvertrag zustande. Der Verkäufer muss sich dann mit dem Bieter erst einigen (siehe § 10 Aus dem Sachverhalt, dass durch Gebotsabgabe ein Vertrag entsteht, folgt übrigens, dass die Rücknahme eines abgegebenen Gebots oder die Rücknahme einer Auktion, bei der bereits Gebote abgegeben wurden, nur im Ausnahmefall zulässig ist (z. B. Tippfehler oder andere Irrtümer). Wird ein Gebot oder eine laufende Auktion zurückgezogen, kann dies gemäß BGB zu heiklen Konsequenzen führen, z. B. Schadensersatzklage oder Klage auf Herausgabe der Ware. Das gilt unter Umständen selbst dann, wenn der Rückzug begründet war, da Schäden, z. B. finanzielle Verluste, die durch eine Gebots- oder Auktionsrücknahme entstehen, nicht von der anderen Vertragspartei ge- tragen werden müssen. Dies ergibt sich aus § 122 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit § 119 Abs. 1 BGB (sofern zusätzlich zur Gebots- oder Auktionsrücknahme überhaupt eine schriftliche oder mündliche Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums erklärt wurde, was gern vergessen wird). Weiterführende Informationen finden sich auf ebay.de:
|
Wie kommt ein Vertrag im Onlineshop zustande?
Kurze Lesepause?
Stummfilm von Georges Melies aus dem Jahr 1900: "L'Homme orchestre".
Nachfolgend werden die wichtigsten gesetzlichen Regelungen aus dem Bürgerlichen Gesetz- buch (BGB) aufgeführt und deren Konsequenzen für Rechtsgeschäfte im Alltag erläutert.
"Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat."
Die Verbindlichkeit einer Vertragsofferte kann mit Freizeichnungsklauseln wie "Angebot frei- bleibend" oder "unverbindliches Preisangebot" ausgeschlossen werden. Anders ist es jedoch bei der Vertragsannahme, diese ist immer verbindlich.
"Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147,1 1482 und 149 rechtzeitig angenommen wird."
1
(1)
"Der einem Anwesenden* gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fern- sprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag."
(2)
"Der einem Abwesenden* gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf."
*
Anträge an "Anwesende" meint hier: mündliche (bzw. telefonische) Vertragsangebote im direkten Gespräch; Anträge an "Abwesende": schriftliche Vertragsangebote per Post, Fax, Email, SMS usw.
Absatz 1 des § 147 ist tückisch. Für mündliche Vertragsverhandlungen gilt, dass ein unterbreitetes Angebot nur sofort angenommen werden kann. Eine im Nachhinein ge- gebene Zustimmungserklärung (Stunden oder Tage später) zu einem mündlich unter- breiteten Angebot führt also nicht zum Vertrag. Typisches Beispiel aus der Praxis: Eine Bestellung per Fax zu einem telefonisch erhaltenen Preisangebot. Hier kommt noch kein Kaufvertrag zustande; dies wäre nur durch eine mündliche Bestellung direkt am Telefon möglich gewesen. Die Bestellung per Fax stellt nun ein Vertragsangebot dar und erst die Zustimmungserklärung in Form einer Bestell- bzw. Auftragsbestätigung oder durch eine zeitnahe Lieferung führt zum gültigen Kaufvertrag.
Interessant ist auch der Absatz 2. So muss sich zum Beispiel ein Handwerker keine Sorgen machen, dass sein vor Wochen oder Monaten abgegebenes (zu diesem Zeit- punkt verbindliches) Preisangebot plötzlich per Auftrag angenommen wird, mittlerweile aber die Materialpreise gestiegen sind oder weil er inzwischen andere Aufträge an- genommen hat. Sein Preisangebot war per Gesetz für nur relativ kurze Zeit bindend.
Die Frage, wie lang diese Bindungsfrist "unter regelmäßigen Umständen" denn nun genau ist, läßt sich nicht allgemeingültig beantworten. Der Gesetzgeber hat hier keine konkreten Zeiträume bestimmt. Die Bindung an ein Angebot kann zwei Tage, aber auch vier Wochen betragen - je nachdem wie sich der Einzelfall darstellt. Wichtig ist hier zu wissen, dass sich die Bindungsfrist auf eine angemessene Überlegungszeit (plus ggf. Postlaufzeiten und besondere Umstände wie urlaubsbedingte Abwesenheit) für die Vertragsannahme bezieht. Bei einem Preisangebot für ein Buch ist die zugestandene Zeit zur Vertragsannahme relativ kurz (ca. 2 Tage), bei komplexen Preisangeboten in der Baubranche, bei denen ggf. vor Auftragsvergabe umfangreiche Kalkulationen durchgeführt oder ein Gutachter beauftragt werden muss, ist sie deutlich länger (z. B. 4 Wochen). Es kommt also immer auf den jeweiligen Einzelfall an.
2
Anders ist es wiederum, wenn eine Annahmefrist konkret bestimmt wird ("Angebot gültig bis ...", "Zimmerreservierung verfällt am ..."). Auf diese Weise kann ein Vertragsangebot (z. B. ein Preisangebot) nur wenige Stunden oder aber über Monate seine Verbindlichkeit aufrecht erhalten:
"Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen."
Werbung
(1)
"Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag."
(2)
"Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag."
Beispiel für Absatz 1: Ein Preisangebot für einen PC war per Freizeichnungs- klausel bis zum 5. Mai gültig. Die Bestellung erfolgte am 6. Mai. Damit wird die Bestellung zum neuen Vertragsangebot, welches der ursprüngliche Vertrags- anbieter erst bestätigen muss, damit ein rechtsgültiger Kaufvertrag entsteht.
Zum Absatz 2 muss gesagt werden, dass ein rechtsgültiger Vertrag nur durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen kann. Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen bei der Vertragsannahme (z. B. Be- stellung) führen nicht zum Vertrag sondern verwandeln die "Vertragsannahme" in ein neues Angebot, dem der ursprüngliche Vertragsanbieter erst zustimmen muss (z. B. per Auftragsbestätigung).
Preisangebot eines Großhändlers für die Lieferung von 50 Kaffeemaschinen.
Vertragsangebot für Firma / Person X.
Auftragserteilung für die Erstellung einer Webseite innerhalb von 4 Wochen.
Bestellung von 10 t Profilstahl mit Liefertermin in 3 Tagen.
Preisangebot eines Serviceunternehmens für die regelmäßige Reinigung von 2 Treppenhäusern.
Bestellung von 40 Kaffeemaschinen.
Vertragsannahme durch Firma / Person Y.
Auftragsbestätigung mit Fertigstellungstermin der Webseite in 5 Wochen.
Auftragsbestätigung unter dem Vorbehalt, dass der Stahl zum genannten Termin verfügbar ist.
Auftragserteilung für die regelmäßige Reinigung von 3 Treppenhäusern.
= kein Vertrag
Merke: Die Vertragsannahme muss immer exakt1 dem Vertragsangebot entsprechen, andernfalls kommt (vorläufig) kein Vertrag zu- stande. Alle hier unter "Ungültige Vertragsannahme" aufgeführten Beispiele stellen ein neues Vertragsangebot2 dar, dem der ur- sprüngliche Vertragsanbieter erst zustimmen muss. Die Zustimmung kann schriftlich erfolgen (per Auftragsbestätigung) oder durch entsprechendes Verhalten: Liefert der Großhändler im oben genannten Beispiel zeitnah die 40 bestellten Kaffeemaschinen, bildet sich durch diese konkludente Zustimmungserklärung der rechtsgültige Vertrag mit allen daraus entstehenden Rechten und Pflichten (z. B. Sachmangelhaftung, Anspruch auf Bezahlung der Rechnung usw.).
1 Dies gilt natürlich nicht für geringfügige bzw. unwesentliche Differenzen, die auf die entscheidenden Vertragspunkte keinen Einfluss haben.
2 Grund: Die ungültige Vertragsannahme ist gleichzeitig eine Willenserklärung zum Abschluss eines Vertrages (mit anderem Inhalt).
Zur Frage, wann die Bindung an ein Vertragsangebot oder an eine Vertragsannahme beginnt, gibt § 130 Abs. 1 BGB Auskunft: Die Bindung wird zu dem Zeitpunkt wirksam, wenn das Angebot oder die Annahmeerklärung dem Empfänger zugeht (per Post, Fax oder eMail). Interessant ist dabei die Möglichkeit zum Widerruf im Abs. 1 Satz 2, wo es sinngemäß heißt:
Das Vertragsangebot bzw. die -annahme wird nicht wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
Hat zum Beispiel ein Handwerker per Post ein Preisangebot zu einer Ausschreibung im Baugewerbe abgeschickt und stellt fest, dass er sich verkalkuliert hat, kann er das Preisangebot telefonisch oder per Fax, also noch bevor es durch die Post zugestellt wird, für ungültig erklären.
Ähnliches gilt bei Angeboten per Fax oder eMail: Durch ein sofort bzw. zeitnah abgesendetes zweites Schreiben mit Widerruf kann das Vertragsangebot zurückgezogen werden. Beispiel: Der Handwerker schickt an einem Samstag sein Preisangebot per eMail ab. Am Sonntag stellt er fest, dass er sich verkalkuliert hat und schickt den Widerruf noch am gleichen Tag ab, ebenfalls per eMail. Am Montag öffnet der Empfänger sein elektronisches Postfach und erhält gleichzeitig das Vertragsangebot und den Widerruf.
Kurze Lesepause?
Rapper Ernesto über Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner & Co. Sein Song "Terroralarm" steht unter CC-Lizenz und kann kostenlos her- untergeladen werden. Download
Anhand der nachfolgenden Fallbeispiele soll das Zustandekommen von Verträgen im Alltag aufgezeigt werden. Die Sammlung wird kontinuierlich erweitert.
Falsche Preisangabe im Ladengeschäft
Voreiliger Kaufvertrag im Antiquitätengeschäft
Digitaler Kaufvertrag im Onlineshop
Heiliger Kaufvertrag - Mit juristischem Segen?
Unvollständiger Werkvertrag mit Dachdeckerfirma
Gebotsabschirmung bei eBay & Co. - Üble Masche oder müdes Lächeln?
eBay: Mitsubishi zum Schnäppchenpreis
Weitere Beispiele werden regelmäßig ergänzt.
Ein schriftlicher Vertrag ist nicht nötig: Wer per Handschlag besiegelt, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, kann schon eine Gesell- schaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet haben. Man sollte also gut schauen, ob und auf wen man sich einlässt.
Autor: Diana Niedernhöfer, Handelsblatt
Muss ein gewerblicher Verkäufer auf der Artikelseite Angaben zur Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags machen? Dazu gibt es derzeit zwei unterschiedliche Gerichtsurteile: Das LG Leipzig bejaht diese Verpflichtung (Beschluss vom 28.12.2007), das LG Frankenthal verneint dagegen (Urteil vom 14.02.2008); siehe auch dieser Artikel als Ergänzung.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlömer, Redaktion 'Recht und sicher' im eBay Rechtsportal
Wer Verträge nur mit Handschlag besiegelt, geht damit oft ein großes Risiko ein. Welche Konsequenzen dies haben kann, erklärt Jann Fiedler, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Berlin. Siehe dazu auch diesen Artikel: "Hand drauf - Mündliche Verträge sind schnell abgeschlossen, aber im Nachhinein schwer zu beweisen".
Autor: Cornelia Jeske, Berliner Zeitung
Wer aufgeräumt hat und seinen ganzen alten Plunder loswerden will, kann es bei eBay versteigern oder sich selbst als Verkäufer auf einen der vielen Trödelmärkte begeben. Doch auch wer privat etwas verkauft, ist an bestimmte Regeln des Vertragsrechts ge- bunden, die man sich vorher klar machen sollte. (Dieser Artikel ist auch für Gewerbetreibende interessant, die gebrauchte Waren von Privatpersonen kaufen.)
Autor: Rheinische Post
Wer bei eBay Artikel kauft oder verkauft, der geht mit dem jeweiligen Partner einen Vertrag ein. Doch welche Rechte und Pflichten ergeben sich daraus? Und wann kommt es tatsächlich zu einem Vertragsabschluss?
Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlömer, Redaktion 'Recht und sicher' im eBay Rechtsportal
Ob Miete, Gebrauchtwagenkauf oder Versicherungspolice: Schriftliche Verträge sind meist lang und voller sperriger Klauseln. So mancher sehnt sich beim Lesen nach dem guten alten Handschlag zur Besiegelung eines Geschäfts zurück. Tatsächlich schließen die Menschen auch heute noch unzählige sogenannte mündliche Verträge. Sie sind häufig unproblematisch. Experten warnen aber, dass die flüchtigen Vereinbarungen für manche Geschäfte nicht ausreichen. Ein Schriftstück bietet deutlich mehr Sicherheit.
Autor: N-TV, Redaktion 'Steuern & Recht'
Wenn ein größerer Vertrag verhandelt wird, stellt sich häufig die Frage, wer nach dem Festzurren der wichtigsten Punkte den Vertragsentwurf vorlegt. Üblicherweise drückt man sich gern darum. Und das ist höchst fahrlässig. Die Vertragshoheit ist das wertvollste Gut, das es in so einer Situation zu erobern gibt. Sie gibt den entscheidenden Vorteil.
Autor: Rechtsanwalt Arne Trautmann, Law-Blog
Ist man verpflichtet, bei eBay gekaufte Artikel abzunehmen und zu bezahlen? Die Antwort scheint klar. Denn auch hier gilt das Prinzip: Angebot + Annahme = Vertrag (Auktion + Gebot = Kaufvertrag). Es gibt aber noch das Widerrufsrecht.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlömer, eBay Rechtsportal
Auch eine "Wellenlinie" kann einen wirksamen Vertrag begründen (Urteil des OLG Köln vom 28.06.2005).
Autor: ARD, Redaktion 'Ratgeber Recht'
Es gibt drei schöne Gesetze für schwammig formulierte Verträge und gegen Wortverdreher. Das erste findet sich im § 133 BGB:
"Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Aus- drucks zu haften."
Nach § 133 kommt es also nicht immer darauf an, was wortwörtlich gesagt wurde oder was im Vertrag steht. Vertragsparteien sind bei Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten verpflichtet, in vernünftiger Art und Weise nachzuforschen, was rechtsgeschäft- lich tatsächlich vereinbart war. Ein sehr alter, aber immer noch gültiger Rechtsgrundsatz lautet in diesem Zusammenhang: Falsa demonstratio non nocet, auf Deutsch: "Falsche Wortwahl schadet nicht" (sofern klar ist, was eigentlich gemeint war).
Für den Fall, dass dies nicht reicht, um sich aus den Fängen eines unseriösen Vertragspartners zu befreien, kann man alternativ den § 157 BGB zitieren:
"Verträge sind so auszulegen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern."
Der Ausdruck "nach Treu und Glauben" bezeichnet in der Rechtssprache das Verhalten eines redlich und anständig denkenden und ebenso handelnden Menschen, Verkehrssitte meint die üblichen Gebräuche im Alltag.
Ergänzend zu den Paragraphen 133 und 157 BGB soll hier noch der § 242 BGB zitiert werden:
"Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern."
Der Schuldner einer vertraglichen Leistung (z. B. Warenlieferung, Hausbau) ist demnach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, wie dies im Allgemeinen zu erwarten ist. Hinterlistige "Kreativität" bei der Vertragserfüllung läßt sich per § 242 BGB leicht anfechten.
Hinweis für Onlinehändler: Gemäß Abs. 1 Nr. 4 der BGB-Informationspflichtenverordnung (BGB-InfoV) sind Händler bei Fernabsatz- verträgen verpflichtet, Verbraucher darüber zu informieren, wie der Vertrag zustande kommt. In der Regel werden derartige In- formationen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben. Wer auf AGB verzichten möchte, kann den Hinweis auch zu- sammen mit der Widerrufsbelehrung unter einer Überschrift wie "gesetzliche Pflichtangaben" o. ä. anbringen.
Beispiel einer entsprechenden Information:
"Ihre Bestellung stellt ein Angebot an uns zum Abschluss eines Kaufvertrages dar. Wenn Sie eine Bestellung bei uns aufgeben, schicken wir Ihnen eine eMail, die den Eingang Ihrer Bestellung bei uns bestätigt und deren Einzelheiten aufführt (Bestellbestätigung). Diese Bestellbestätigung stellt keine Annahme Ihres Angebotes dar, sondern soll Sie nur darüber informieren, dass Ihre Bestellung bei uns eingegangen ist. Ein Kaufvertrag kommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt an Sie versenden oder den Versand an Sie mit einer zweiten eMail (Versandbestätigung) bestätigen."
Dieser Text stammt aus den AGB von amazon.de (§ 2 - Vertragsschluss) und kann so oder in ähnlicher Form bedenkenlos über- nommen werden. (Dies stellt keinen Urheberrechtsverstoß dar, da es im Internet tausende ähnlich formulierte Klauseln gibt.)
(Hinweis: Ich habe mir erlaubt, im letzten Satz der Amazon-AGB ein "und" durch ein "oder" zu ersetzen, da der Kaufvertrag bereits mit dem Ab- senden der Ware zustande kommt. Dies dann noch mit einer zweiten eMail (Versandbestätigung) zu koppeln (in Form von "und") ist juristischer Unsinn und sollte hochbezahlten Anwälten, die solche AGB erstellen, eigentlich auffallen - zumal AGB ein beliebtes Ziel für Abmahnungen sind.)
Ein Vertrag kann, rein juristisch betrachtet, auch mehrere Verträge beinhalten, ohne dass sich die Vertragsparteien dessen be- wußt sind. Man spricht dann von einem gemischten Vertrag. Klassisches Beispiel: Ein Ferienhausbesitzer vermietet an Urlaubsgäste ein Zimmer (Mietvertrag) einschließlich Verpflegung (Werklieferungsvertrag) und Reinigung (Dienstvertrag). Kommt es zu Streitig- keiten hinsichtlich einzelner Vertragskomponenten finden die für den entsprechenden Vertragstyp jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen ihre Anwendung.
Einige (sehr wenige) gesetzliche Regelungen zum Vertragsrecht können per Vereinbarung außer Kraft gesetzt bzw. anders geregelt werden. Zum Beispiel kann der Grundsatz, dass ein Vertrag nicht durch Schweigen zustande kommen kann, folgendermaßen be- seitigt werden: Ein Metzger vereinbart mit einem Schlachthof vertraglich, dass er jeden Donnerstag eine bestimmte Menge Fleisch geliefert bekommt, wenn er nicht bis jeweils Mittwoch 18:00 Uhr etwas anderes mitgeteilt hat. Ein anderes Beispiel wäre das Zeitungsabonnement, dass sich automatisch (stillschweigend) um zwölf Monate verlängert, wenn es nicht innerhalb einer vorab bestimmten Frist gekündigt wird.
Kurze Lesepause?
Bei amazon.de gibt es ein sehenswertes Promo-Video über Amy Winehouse, der wohl besten Soul-Sängerin der Welt. Der süchtig machende Dance-Mix ihres Songs "Valerie" findet sich übrigens auf dem Album von Mark Ronson
. Alternativ gibt es den Song auch als mp3-Download für 1 €:
(30sec-Vorschau)
Hinweis: Da sich diese Webseite derzeit noch in der Entwicklung be- findet, fehlen leider noch einige Kapitel. Folgende Themen sind jedoch bereits verfügbar (teilweise noch im alten Design, aber stets aktuell):
Möglichkeiten zur Loslösung von einem Vertrag, inklusive:
- Kündigung (von Dauerschuldverhältnissen)
- usw.
Unterscheidung: Nichtige versus anfechtbare Verträge
Allgemeine Geschäftsbedingungen - Über Sinn und Unsinn von AGB
(einschließlich einer kleinen Sammlung unzulässiger AGB-Klauseln)
Weiterführende Themen auf externen Webseiten:
Surf-Tipp: Insolvenz-Versteigerungen bei eBay Business
Alle Texte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Die Suche nach Raubkopien erfolgt automatisiert durch copyscape.com.