Letzte Revision: 06.05.2009 | Download als PDF

Änderungsvorbehalt in AGB

Unter welchen Voraussetzungen dürfen AGB und Vertragsinhalte nachträglich geändert werden?

Hinweis für Besucher aus Österreich und Schweiz:

Alle hier gegebenen Informationen zu AGB beziehen sich auf die Gesetzgebung in Flagge von Deutschland    Deutschland.

Gelegentlich erhält man eine eMail - meistens von einem der größeren Unternehmen, die Online-Dienste anbieten - in der die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen angekündigt wird. Darin ist oft eine Aussage wie die Folgende zu lesen:

Stillschweigende Zustimmung zu geänderten AGB

Zulässig? Theoretisch: ja, in der Praxis nur selten.

Zur Theorie: Zwar sind vermeintlich stillschweigende Zustimmungserklärungen meistens wertlos (Schweigen stellt in der Regel keine Willenserklärung dar), jedoch ist im § 308 Nr. 5 BGB folgende Regelung für AGB-Klauseln festgelegt:

"(5.) Fingierte Erklärungen

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam ... eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass

a)

dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und

b)

der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens be- sonders hinzuweisen."

Die stillschweigende Zustimmung für geänderte AGB bzw. Vertragsinhalte herzuleiten (weil kein Widerspruch eingelegt wird), ist also durchaus zulässig - sofern eine entsprechende Klausel vorhanden ist (Beispiel: siehe unten, PayPal-Klausel). Es bedarf allerdings noch einer weiteren Klausel: Das Recht, die AGB oder andere (unwesentliche!) Vertragsinhalte ändern zu dürfen. Und an derartige Klauseln sind sehr hohe Ansprüche gestellt, die nur selten von den Unternehmen erfüllt werden. So ist beispielsweise der pauschale Vorbehalt, die AGB ändern zu können, unzulässig. Es bedarf statt dessen einer genauen Auflistung, was konkret und in welchem Umfang an- gepasst werden kann.

Der Bundesgerichtshof formuliert es in einem Urteil so:

"... Jedenfalls muss sich die Reichweite der Anpassungsbefugnis des Verwenders aus Transparenzgründen307 Abs. 1 Satz 2 BGB) aus der Klausel selbst ergeben. Die in der Allgemeinen Geschäftsbedingung vorbehaltene Rechtsmacht des Verwenders, einzelne Be- stimmungen zu ergänzen oder zu ersetzen, bedarf in ihren Gestaltungsmöglichkeiten der Konkretisierung. Der Gegner des Verwenders muss vorhersehen können, in welchen Bereichen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er mit Änderungen zu rechnen hat."

(Az. III ZR 63/07)

Die betreffende Klausel von PayPal entspricht beispielsweise nicht diesen Anforderungen:

Änderung der Nutzungsbedingungen

PayPal ist berechtigt, diese Nutzungsbedingungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu ändern. Die geänderten Nutzungs- bedingungen werden Ihnen per eMail spätestens 1 Monat vor ihrem Inkrafttreten zugesandt. Widersprechen Sie der Geltung der neuen Nutzungsbedingungen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Empfang der eMail, gelten sie als angenommen. PayPal weist Sie in der eMail, die die geänderten Nutzungsbedingungen enthält, gesondert auf die zweiwöchige Frist hin. Zusätzlich veröffentlicht PayPal die geänderten Nutzungsbedingungen auf der / den PayPal-Webseite(n).

Hier wird zwar korrekt die stillschweigende Zustimmungserklärung bei Änderungen der AGB ermöglicht, es wird aber nicht ange- geben, was genau geändert werden kann. Die pauschale Aussage "PayPal ist berechtigt, diese Nutzungsbedingungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu ändern." ist völlig unzureichend und daher unzulässig.

Des Weiteren soll hier der Hinweis nicht fehlen, dass selbst eine Änderungsklausel, die der vom Bundesgerichtshof geforderten Konkretisierung nachkommt, im § 308 Nr. 4 BGB erheblichen Einschränkungen unterliegt:

"(4.) Änderungsvorbehalt

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam ... die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist."

Der Bundesgerichtshof ergänzt dazu:

"Nach § 308 Nr. 4 BGB sind zwar Klauseln, die das Recht des Verwenders enthalten, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, grundsätzlich zulässig, soweit dies unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Diese Bedingung ist aber nur erfüllt, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt (BGH, Urteil vom 23.06.2005, VII ZR 200/04) und die Klausel - im Hinblick auf die gebotene Klarheit und Verständlichkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) - die triftigen Gründe für das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nennt, so dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen besteht."

(Az. III ZR 63/07)

Weitere Aussagen des Bundesgerichtshofs zu Änderungsvorbehalten in AGB

Preisanpassungsklauseln sind zulässig

Preisanpassungsklauseln, die eine Anhebung der ursprünglich vereinbarten Preise in begründeten Fällen (z. B. deutliche Steigerung der Materialeinkaufspreise) ermöglichen, sind laut Bundesgerichtshof zulässig:

"In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Preisanpassungsklauseln sind, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen ... zwar nicht grundsätzlich unwirksam. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risiko- zuschläge aufzufangen versucht. Die Schranke des § 307 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden."

(Az. III ZR 63/07)

Kein Recht zur Änderung wesentlicher Vertragsbestandteile per AGB-Klausel

In dem Urteil des Bundesgerichtshofs, dass hier bereits mehrmals auszugsweise zitiert wurde, ging es u. a. darum, dass sich ein Internetprovider in seinen AGB das Recht vorbehalten hatte, die jeweilige Leistungs- und Produktbeschreibung anzupassen, wenn der Kunde nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen widerspricht (Zustimmungsfiktion). Dazu der Bundesgerichtshof:

"Hieraus ergibt sich, dass im Wege der Zustimmungsfiktion auch Änderungen von Essentialia des Vertrages, insbesondere aller von der Beklagten geschuldeten Leistungen, unter Einschluss der Hauptleistungen, möglich sind, ohne dass eine Einschränkung besteht. Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten, insbesondere das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten.

Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist ein ... Änderungs- vertrag notwendig. Eine Zustimmungsfiktion ... reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Kunden der Be- klagten nicht aus.

Erfahrungsgemäß setzt sich der größte Teil von Verbrauchern nicht mit Vertragsanpassungen auseinander, die ihnen in der in der Klausel vorgesehenen Weise angesonnen werden. Sie werden deshalb regelmäßig in der Annahme, die Änderung werde "schon ihre Ordnung haben" schweigen. Die Klausel läuft deshalb in der Praxis weitgehend auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Beklagten hinaus. Eine solche Rechtsmacht wird für weniger gewichtige Anpassungen hinzunehmen sein, nicht jedoch für die nach dem Wortlaut der Klausel mögliche weitgehende Veränderung des Vertragsgefüges."

(Az. III ZR 63/07)

stern stern stern stern stern

Alle Texte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Die Suche nach Raubkopien erfolgt automatisiert durch copyscape.com.